Noch vor 65 Jahren kannte kaum jemand das Wort Stress. Nur Physiker benutzten es als Fachbegriff und meinten damit ”mechanische Spannung”. Hans Selye, ”der Vater der Stressforschung“ prägte den Begriff für das was wir heute wird unter Stress verstehen. 1936 definierte und identifizierte er ihn in seiner ersten wissenschaftlichen Publikation.

Einfach formuliert, in der Stressphase produziert der Körper Energie, um ein Problem oder eine Herausforderung zu bewältigen. Komplizierter aber auch spannender wird es, wenn wir der Frage nachgehen, was für jeden einzelnen Menschen Stress bedeutet. Was genau löst bei jedem einzelnen die Stressreaktion im Körper aus. Denn was für den einen eine total entspannte Situation ist, kann für einen anderen hochgradige Belastung sein.

In den Urzeiten, als unsere Vorfahren noch Jäger und Sammler waren, gab es wahrscheinlich grösstenteils nur die kurzfristige Form von Stress. Es könnten Gelegenheiten gewesen sein, in welchen Jäger auf der Jagd waren, die Flucht vor Raubtieren oder die Verteidigung der Sippe. Dazu musste der Körper schnell Energie bereitstellen, die Reflexe schärfen und das Denken beschleunigen. Da in einem solchen Moment die Gefahr einer Verletzung gegeben war, wurde auch das Immunsystem aktiviert. D.h. der Körper und das Gehirn wurden in höchste Alarmbereitschaft gesetzt. War dann der Kampf oder die Flucht vorbei, war auch die Energie wieder abgebaut und es trat automatisch eine Erholung ein. Diese Fähigkeiten sicherten das Überleben der damaligen Menschen und ist daher auch heute in unserem genetischen Code verankert.

In unserer heutigen Zeit ist die Bedrohung durch Raubtiere oder einer gefährlichen Jagd, um uns mit Nahrung zu versorgen, eher selten geworden. Objektiv gesehen gibt es also (zumindest in den Industriestaaten), nur noch wenige wirklich lebensbedrohlichen Situationen. Dennoch legen wir sehr häufig eine solche Reaktion an den Tag. Diese entspringt jedoch unserer subjektiven ureigenen Betrachtungsweise einer Situation.

Beispiel: Stellen Sie sich mal folgende Situation vor. Sie sind Angestellte(r) einer Firma und haben in einem Projekt einen groben Fehler begangen. Sie wissen bereits, dass Ihr Chef stinksauer darüber ist und Sie kennen ihn, wenn ihn ein cholerischer Anfall ereilt. Das Telefon klingelt an Ihrem Schreibtisch, Sie sehen die Nummer Ihres Chefs auf dem Display. Wahrscheinlich hat sich spätestens zu diesem Zeitpunkt Ihr Puls und Ihre Atmung beschleunigt. Ihre Gedanken werden blitzschnell. Wie könnte ich es erklären, ist die Wahrheit besser (Konfrontation) oder soll ich eine Ausrede verwenden (Flucht). Verschiedenste Gesprächsmöglichkeiten könnten einem durch Kopf schiessen. Das Gehirn und der Körper sind in höchster Alarmbereitschaft.

Wenn man die Situation objektiv betrachtet, will nur ein Mensch einen anderen am Telefon sprechen. Man wird weder lebensgefährlich verletzt, noch hat man irgendwelche Schmerzen zu befürchten. Dennoch reagiert der Körper genau so, als ob dies drohen würde.

Unser heutiger „Überlebenskampf“ bezieht sich also auf z.B. ungelöste Konflikte, zwischenmenschliche Probleme oder unerledigte Arbeiten, die uns über den Kopf wachsen. Auch die Angst vor der Gegenwart und/oder der Zukunft können den Körper in ständiger Alarmbereitschaft halten.

Solange Energieschübe durch den Stress kurzfristig sind, bergen sie ein grosses Lernpotential und sind für uns sehr vorteilhaft. (Eustress).

Fordern wir von unserem Körper allerdings dauerhaft diesen Energielevel, weil wir uns chronischem Stress aussetzen, überfordern wir unseren Körper hochgradig. (Distress).

Die logische Schlussfolgerung daraus ist, ohne sich die entsprechende Erholung zu verschaffen, wird der Körper krank werden und irgendwann zusammenbrechen. Um dem zu entgehen gibt es zahlreiche Methoden. Grob gesagt dienen die mentalen Techniken eher zur Vorbeugung und die körperlichen Techniken eher zur Erholung. Wenn Sie sich jedoch in Zukunft damit beschäftigen werden, werden Sie ziemlich sicher feststellen, dass beide Bereiche wie Zahnräder ineinandergreifen.